Vor einer Woche habe ich mich mit Marwan Fakhereddin getroffen. Ihm gehört das Ende 2018 eröffnete Simsim, welches direkt am Kollwitzplatz liegt. Eigentlich sollte es ein klassisches Interview werden, aber irgendwie war es dann mehr ein privates Gespräch über Kulinarik, die Speisen seiner Heimat, das Restaurant und seine Mitarbeiter und schnell sind mehr als drei Stunden vergangen.
Marwan zeigt mir erst mal alles und serviert mir einen Tee an diesem kalten Tag. Er will wissen, welche Gerichte ich testen will und lässt weit aus mehr an den Tisch bringen, als ich jemals schaffen kann. Der gebürtige Palästinenser sitzt mir gegenüber und ich fühle mich beobachtet. „Ich will wissen, wie du isst. Die Deutschen essen unsere Speisen so anders als wir“, antwortet Marwan auf meinen fragenden Blick. Ich greife zum Pitabrot, reiße ein Stück ab, halte es in meiner linken Hand und nehme den würzig-scharfen Paprikadip Muhammara damit auf. „Ah du machst das anders, als die meisten Deutschen. Die essen immer mit Messer und Gabel“. Ein wenig erleichtert bin ich, dass ich diese vielleicht erste Prüfung überstanden habe. Verantwortlich für die Gerichte wie Raheb Salat, Kibbeh – Bällchen mit Rinderhack gefüllt, Hindbeh oder klassisch Hummus und Falafel ist Mohammad Al Ibrahim. Ursprünglich aus Aleppo, lebt er nun auch in Berlin und hat sich zusammen mit Marwan an den Tisch gesetzt und das kulinarische Konzept geplant. Im Simsim, das übrigens aus dem Arabischen übersetzt Sesam bedeutet, soll es nämlich authentische Küche geben. Eben so wie Marwans und Mohammeds Eltern und sie selber kochen. Mit seinem Konzept will der Palästinenser die arabisch-muslimisch geprägte Kultur auch den Deutschen zeigen. „Die Deutschen sind neugierig“, sagt Marwan und greift zum Pitabrot, „aber bislang ist die Region unserer Eltern eine missverstandene. Das liegt natürlich auch an den durch die Medien übermittelten Bilder und Nachrichten. Wir wollen zeigen, wie reichhaltig unsere Kultur und was uns wichtig ist.“ Kurz genießen wir die Speisen in Ruhe, ohne Gespräch.
Dann will ich wissen, wie er überhaupt zur Gastronomie gekommen ist. Sein Vater besitzt in der jordanischen Hauptstadt Amman ein Restaurant und auch Marwan selber hat immer wieder in Restaurants gearbeitet, seitdem er 2015 der Musik wegen nach Berlin gekommen ist. Und weil eben die für ihn authentische Küche fehlte, kam die Ideen zum eigenen Restaurant. Er sagt, man kann ein Restaurant nur eröffnen, wenn man Leute, Essen und Wein liebt. Und das sei genau was ihn ausmacht. Und ja Marwan und sein ganzes Team sind super herzlich und für jeden Gast da. Nur nicht am Montag. Dann ist Ruhetag. Aber sonst kann bereits ab 17 Uhr levantische Küche geschlemmt werden. Auf meine Feststellung, dass 17 Uhr ja recht ungewöhnlich ist, antwortet Marwan, dass dies aber eben gerade für die vielen Familien im Prenzlauer Berg praktisch sei. Und so füllt sich das Restaurant tatsächlich kurz nach fünf. Bald schon will Marwan auch Lunch und Brunch anbieten. Wenn erst mal der Frühling da ist und die Fläche vor dem Restaurant genutzt werden kann. So lange aber, kann man in dem gemütlichen Restaurant drinnen speisen.
Obwohl er selber Vegetarier ist, bietet er auch Gerichte mit Fleisch an. Aber er hat erkannt, dass sich immer mehr vegan oder vegetarisch ernähren und sofort sehen wollen, was es auf der Karte gibt. Übersichtlich aufgeteilt ist die daher. Und weil es eben so üblich ist, dass viele Speisen auf den Tisch kommen, gilt auch hier das Prinzip des Teilens.
Mina Agib, der Schichtleiter fragt immer wieder, ob alles zu meiner Zufriedenheit sei. Seit 16 Jahren ist der gebürtige Ägypter in Deutschland und steht voll hinter Marwans Konzept. Alle sprechen arabisch, auch wenn es sich um verschiedene Dialekte handelt. In der Küche arbeiten noch zwei syrische und zwei palästinensische Flüchtlinge. Und auch viele der Lieferanten seien arabisch. Marwan empfiehlt den Lebensmittelladen Harb auf der Potsdamer Straße. Der habe die besten Gewürze.
Levante-Küche ist übrigens nicht sehr saisonal, da das Wetter in der levantischen Region ganzjährig moderat sei und so gibt es nicht DIE Speisen für Winter und die Speisen für den Sommer, auch wenn für mich nämlich vieles nach Frühling und Sommer schmeckt, weil es knackig und frisch und mit vielen Kräutern ist.
Und noch etwas habe ich gelernt: Der klassische Hummus aus dem mittleren Osten enthält laut Marwan keinen Kreuzkümmel und auch keinen Knoblauch, sondern ist ganz pur. Und der Hummus im Simsim, der ist tatsächlich anders. Ein bisschen säuerlicher durch die Zitrone und für mich natürlich perfekt, so ohne Knoblauch.
Ich könnte noch so viel mehr über das Simsim erzählen, aber besser ist es, wenn man einfach mal vorbei geht und Marwan und sein Team kennenlernt. Und wer sich noch mehr interessiert, der kann in den verschiedenen Kochbüchern, die Marwan ausgestellt hat inspirieren lassen und das ein oder andere levantische Gericht so mit nach Hause nehmen.
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