„Alles was im Makrokosmos vorherrscht, findet sich auch im Mikrokosmos in uns wieder“ – Josephine Jeß im Interview über Ayurveda

Die beiden Schwestern Jasmin und Josephine Jeß aus Hamburg beschäftigen sich leidenschaftlich gerne mit dem Thema Ayurveda. Über ihren Podcast Prana Up Your Life geben sie regelmäßig Tipps für einen gesunden Umgang mit Ernährung und Achtsamkeit im Alltag. Nun haben sie ein gleichnamiges Buch veröffentlicht, woraus ich vergangene Woche vier Rezepte getestet habe, die wirklich einfach in der Umsetzung waren und dabei auch lecker. Ich habe mich mit Josephine zu einem Videogespräch verabredet, um von ihr zu erfahren, wie sie und ihre Schwester eigentlich zu Ayurveda gekommen sind und was das Ganze im Allgemeinen und speziell für sie bedeutet. Herausgekommen sind auch ganz einfache Tipps, die jeder Ayurvedaeinsteiger umsetzen kann.

Was genau ist Ayurveda?

Ayurveda bedeutet Wissenschaft des langen und glücklichen Lebens. Es geht nicht nur darum, lange bzw. gesund zu leben, sondern auch darum, zwischen Körper und Geist im Gleichgewicht und somit auch glücklich zu sein. Das ist der ganzheitliche Ansatz von Ayurveda.

Ayurveda ist auf den fünf Elementen der Natur (Anm. d. Red.: Holz, Wasser, Luft, Erde, Feuer) aufgebaut und bedient sich demnach der Logik der Natur. Das bedeutet, alles was im Makrokosmos vorherrscht, findet sich auch im Mikrokosmos in uns wieder. Auf diesem Prinzip aufbauend, bietet Ayurveda Tipps für unsere Bewegung, Atmung und Ernährung, die sich durch Erfahrung bewehrt haben.

Wie kamt ihr mit dem Thema Ayurveda in Kontakt?

Unsere Eltern waren 2012 auf einer Ayurvedakur in Sri Lanka. Als sie zurückkamen, gab es bei uns zu Hause plötzlich morgens warmes Frühstück und warmes Wasser und all solche Dinge. Außerdem stand auch ein Buch zur Bestimmung des Konstitutionstyps in unserer Küche, worin Jasmin immer mal wieder drin geblättert hat und sich total gut zuordnen und wiederfinden konnte. Es ging ihr damals auch nicht gut und hat daher ein paar Dinge aus dem Buch für sich übernommen und gemerkt, dass es ihr damit besser ging. So kam es dann, dass wir uns mehr mit dem Thema auseinandergesetzt haben.

Jasmin hat dann auch eine Ernährungscoach-Ausbildung bei Volker Mehl gemacht und dadurch noch besser verstanden, was Essen genau mit dem Körper macht und was es auch mit Ayurveda zu tun hat.

Was sind die Grundprinzipien ayurvedischer Ernährung?

Das erste Grundprinzip ist in jedem Fall warmes Essen. Denn im Ayurveda geht es immer um die Verdauung und den Stoffwechsel, den wir immer begünstigen wollen. Warme Speisen sind bereits gekocht, sodass der Körper diesen Prozess nicht mehr erledigen muss. Der Verdauungsprozess hat quasi bereits beim Kochen begonnen.

Dann spricht man beim Ayurveda von sechs Geschmacksrichtungen, die in jedem Gericht enthalten sein sollten: süß, sauer, salzig, bitter, scharf und zusammenziehend. Wenn diese Geschmacksrichtungen enthalten sind, handelt es sich um eine ausgewogene Mahlzeit. Viele der Geschmacksrichtungen kann man gut mit Gewürzen supplementieren, weswegen Gewürze im Ayurveda eine große Rolle spielen.

Was kann man denn unter zusammenziehend verstehen?

Zusammenziehend bedeutet im Grunde herb oder astringend. Es beschreibt dieses zusammenziehende Gefühl neben der Zunge, wenn man bestimmte Lebensmittel im Mund hat, wie zum Beispiel beim Granatapfel oder Koriander oder auch Rotwein.


Oft wird ayurvedisch mit indisch verwechselt, da es aus dieser Region kommt. Dabei muss das gar nicht zwangsläufig verbunden sein. Was sind eure Tipps für einen ayurvedischen Lebensstil im westlichen Alltag?

Ein weiteres Grundprinzip der ayurvedischen Küche ist regionales und saisonales Kochen. Und in unserem Buch geht es genau darum, sich nach den gewohnten Konzepten zu ernähren. Es bringt nichts nur indische Rezepte zu haben, da wir ja nicht in Indien leben. Wir haben ganz viele heimische Kräuter, die auch Heilkräfte besitzen. Da braucht man gar nicht so weit gehen. Wir arbeiten zum Beispiel viel mit Dill oder Rosmarin.

Es gibt heute viele Ernährungskonzepte, die bestimmte Lebensmittel kategorisch ausschließen, wie zum Beispiel Weizen oder Milchprodukte. Gibt es diese No-Gos auch im Ayurveda? Wovon würdet ihr dringlichst abraten?

Weizen ist im Prinzip aus der ayurvedischen Sicht ein wichtiges Urkorn. Aber die Weizenprodukte, die heute bei uns erhältlich sind, sind so vollgepumpt mit Zusätzen, dass sie für uns nicht gut verdaulich sind. Daher würden wir von dem Verzehr davon eher abraten.

Fleisch und Milchprodukte sind auch per se nicht verboten im Ayurveda. Man muss die Einzelfälle individuell betrachten. Der Typ, der sehr viel Substanz benötigt, kann ab und zu auch Fleisch essen. Wer ohnehin schon sehr viel Substanz hat, sollte nicht unbedingt noch mehr in Form von Fleisch zu sich nehmen. Denn Fleisch hat eine sehr lange Verdauungszeit, was wir ja im Ayurveda versuchen zu vermeiden.

Ansonsten gibt es im Grunde nur eine Regel, die besagt dass bestimmte Lebensmittelgruppen nicht miteinander kombiniert werden sollten. Zum Beispiel Milchprodukte und Obst, da daraus ein Gärungsprozess entsteht, der das Essen schwer verdaulich macht. Außerdem sollte man zwei tierische Eiweiße nicht kombinieren, da diese im Körper toxische Eigenschaften entwickeln können. Eine klassische Carbonara wäre dementsprechend im Ayurveda nicht zu empfehlen. Honig sollte außerdem nicht erhitzt werden, da er dann auch Giftstoffe freisetzen kann.

Was kann jeder ganz einfach umsetzen, wenn man anfangen möchte, sich ayurvedisch zu ernähren?

Als allererstes kann man mit dem warmen Wasser am Morgen beginnen, um den Stoffwechsel anzuregen. Dazu käme dann das warme Frühstück in Form eines Porridge, das man ausprobieren kann, der auch schon viele Grundprinzipien abdeckt. Er ist warm, man kann sechs Geschmacksrichtungen integrieren und ihn individuell auf sich abstimmen.

Ein ganz einfaches Gericht ist auch eine gebackene Süßkartoffel aus dem Ofen. Man kann dazu etwas Gemüse in der Pfanne anbraten mit Ghee (geklärte Butter) und verschiedenen Gewürzen, wie Senfkörner, Kümmel oder Kurkuma und einen Dip dazu servieren. Ich liebe Dips aus Tahin mit etwas Limettensaft, Tamari, einem Schuss Olivenöl oder Wasser. Wenn man noch frische Kräuter hat, kann man die auch noch drüber geben. Schon hat man alle sechs Geschmacksrichtungen integriert und ein tolles ayurvedisches Gericht!

Ihr habt gerade ein Buch veröffentlicht, das wie euer Blog Prana Up Your Life heißt. Was genau findet man in diesem Buch?

Unser Buch ist für den Einstieg in Ayurveda gedacht. Es gibt einen guten Überblick über die Themen Ayurveda und Achtsamkeit mitsamt einer Auswahl an Rezepten. Es geht auch darum, was man in der Küche beachten sollte und wie man selbst im stressigen Alltag ayurvedische Grundprinzipien umsetzen kann.

Vielen Dank für das Gespräch!

Foto Credits: Prana Up Your Life

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